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Plan B?

Aktuell strampeln knapp 90’000 Menschen aus der ganzen Schweiz und von über 3’500 Arbeitgebern im Rahmen von Bike To Work mit dem Velo an ihren Arbeitsort. Viele davon machen mit, weil sie sowieso mit dem Velo zur Arbeit fahren. Andere satteln wortwörtlich um und verzichten während einem oder gleich zwei Monate darauf, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren.

Auch mein Arbeitgeber unterstützt das Projekt und so darf ich zwei Monate in die Pedale treten. Mein Arbeitsweg führt mich vom Mettenberg unter dem schönen Eisenbahnviadukt in Rümlingen ins Homburgertal. Diesem folge ich talaufwärts und geniesse nach dem Hauenstein die Abfahrt in Richtung Mittelland. In Trimbach geht es weiter gegen Aarau und nachdem ich die Aare in Obergösgen gleich doppelt queren kann, komme ich in Däniken an. 45 Kilometer kommen so jeden Tag zusammen und über die ganze Challenge sind es rund 1’700 davon.

Sportskanone? Das war einmal. Den grössten Anteil an dieser Leistung hat mein E-Bike, was die Regeln von Bike To Work zum Glück erlauben. Aber als ich letzten Mittwochmorgen kurz vor dem Ziel war, zischte es aus dem Hinterrad und ich hatte einen Platten. Pech gehabt. Und weil es nicht ein normales Velo ist, konnte ich das Rad nicht einfach demontieren und in der Mittagspause reparieren. Spezialwerkzeug wäre nötig gewesen – und das hatte ich nicht dabei.

Also holten mich meine Frau und meine Tochter von der Arbeit ab. Ich lud das E-Bike ins Auto, setzte mich seit langem wieder mal auf die Rückbank und hörte den beiden beim Plaudern zu.

Wenn ich mir überlege, wie sehr ich meinen Terminplan zu optimieren versuche um meine Zeit möglichst effizient einzusetzen, wenn ich spüre, wie das Tempo im Job, der Politik aber auch generell im Leben schneller zu werden scheint, dann frage ich mich, habe ich, haben wir noch einen Plan B?

Natürlich gibt es für jede Situation eine Lösung. Eine Nachricht genügte und meine Frau holte mich ab – genial. Doch warum habe ich mich nicht für Pannen ausgerüstet? Nehmen wir uns überhaupt noch die Zeit die Möglichkeiten abzuwägen und mit Bedacht Schritte zu tun? Überlegen wir nicht nur, was wir als nächstes tun werden, sondern auch, wen oder was wir damit beeinflussen könnten?

Haben wir überhaupt noch einen Plan oder treten wir voller Kraft in die Pedale, weil es uns keine Rolle (mehr) spielt wohin die Reise geht, Hauptsache es geht schnell? Vertragen wir noch Langeweile und geben wir uns Gedankenspielen hin oder verlieren wir uns lieber im Grundrauschen von Medien, Apps oder fliehen in die Überbeschäftigung?

Ich wünsche uns die nötige Gelassenheit, ob aller Betriebsamkeit Momente zu finden oder zu schaffen, in welchen wir Zeit haben, über uns, unser Umfeld oder unsere nächsten Schritte zu sinnieren. Zeiten, nach welchen man sich nicht fragen muss, wohin die Minuten oder gar Stunden verronnen sind, sondern durch welche wir erfüllt und gestärkt werden.

Und dabei spielt es keine Rolle, ob wir diese auf dem Sattel eines Fahrrades oder der Rückbank des Familienwagens finden.