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Magsch no?

«Andrin, magsch no? – Nei…» unser Jüngster liegt erschöpft auf einem gepolsterten Absperrblock in einem Erlebnispark in der Innerschweiz. Es ist der 1. Januar und natürlich wollte er am Vorabend miterleben, wie das neue Jahr beginnt. Also hat er sich mit seinen bald sechs Jahren wach gehalten um dann nach Tischbombe und «Kinder-Schämpis» kurz nach Mitternacht zufrieden ins Bett zu steigen.

Und nun liegen wir nebeneinander auf den Absperrungen zwischen Trampolinen, Kletterwänden und Hindernisbahnen und erholen uns von der letzten Verfolgungsjagd. Meine Gedanken schweifen zum neuen Jahr und ich frage mich, ob es auch so drunter und drüber verlaufen wird wie unser letztes Rennen.

Unser Alltag gleicht manchmal solch einem Parcours und wir müssen allen möglichen Hindernissen ausweichen. So klettern, springen, hüpfen, quetschen, kriechen oder stemmen wir uns von Tag zu Tag. Zuweilen haben wir das Gefühl als kämen wir nicht vorwärts oder würde uns der Verfolger bald einholen. Aber dann gibt es auch Momente, in welchen wir uns vorkommen, als hätten wir Sieben-Meilen-Stiefel an und könnten alle Schwierigkeiten einfach überspringen.

Es ist vielleicht ein frommer Wunsch – und dennoch wünsche ich uns genau das: 2024 soll zu einem Jahr werden, in welchem wir Hindernisse mit Leichtigkeit meistern und gemeinsam mit unseren Mitmenschen die Freuden geniessen dürfen.

Oder ist Leichtigkeit gar das Problem? In seinem Roman «Die Überlebenden» schreibt G. Michael Hopf: «Schwierige Zeiten schaffen starke Menschen. Starke Menschen schaffen gute Zeiten. Gute Zeiten schaffen schwache Menschen. Und schwache Menschen schaffen schwierige Zeiten.»

Grundsätzlich steht die Welt wohl mitten in einer schwierigen Zeit. Da sucht man Wachstum um jeden Preis, dort wüten Kriege. Kinder, Frauen, Männer hungern und durchleben täglich neue Demütigungen. Mit allem Fortschritt, aller Technik und allem Wissen haben wir es noch nicht hinbekommen, Leid, Ungerechtigkeit und Missbrauch hinter uns zu lassen. Nein, wir empören uns lieber, sind überrascht über irgendwelche Reaktionen und zeigen gerne auf all das Falsche um uns herum.

Ich gehe nicht davon aus, dass Sie oder ich alleine die Welt retten können. Aber ich glaube, dass es an jedem von uns liegt, in unserem Umfeld «gute Zeiten» zu schaffen. Warum also nicht Gemeinsamkeiten suchen anstatt Fronten zu verhärten? Warum nicht die Hand reichen anstelle der Faust zu ballen – wenn auch nur im «Sack»?

Ja, das kostet Kraft und Mut. Es fällt uns einfacher, über eine Sache herzuziehen als sich zu exponieren und Brücken zu schlagen. Nehmen wir uns doch wieder die Zeit, dem Gegenüber wirklich zu zuhören und zu verstehen ohne gleich zu urteilen.

«Jä, Andrin, wosch de no? – JOOO!» und wie der Blitz springt er davon um das nächste Abenteuer zu erleben. Ich wünsche Ihnen und mir ein Stück dieser kindlichen Energie. Die Lust auf Neues, auf Abenteuer, das Nicht-Voreingenommen-Sein, das unbekümmerte Geniessen-Können – auch und gerade weil uns das Zeitgeschehen in vielem keinen Grund zur Freude bereit hält.

Und Sie, «wöi Si de no?»