Antrieb vs. Stetigkeit
Es ist nicht alltäglich, dass man einen Mitarbeiter mit über drei Jahrzehnten Betriebstreue in die Pension verabschieden kann. Diese Woche kommt mir bei der Arbeit diese «Ehre» zu teil und die Aufgabe hat mich auf eine kleine Zeitreise geschickt. Als mein Mitarbeiter seine Stelle angetreten ist, drückte ich noch die Primarschulbank. Während seinen ersten Jahren im Betrieb absolvierte ich die obligatorische Schulzeit, machte eine Lehre, brachte die Rekrutenschule hinter mich und lebte für ein halbes Jahr in Kanada und Amerika. Auch in den folgenden Jahren seiner «Treue» zum Betrieb liess ich kaum etwas anbrennen. Ich machte ein Studium, arbeitete in der Westschweiz, lernte meine Frau kennen, zog nach Thun, wechselte den Job nur um zwei Jahre später die Stelle zu kündigen um mit meiner Frau in unserem Bus Richtung Asien aufzubrechen.
In der letzten Arbeitsdekade meines Mitarbeiters kehrte auch bei mir langsam «Beständigkeit» ein. Wir kehrten von unserer Reise heim, fanden neue Jobs, übernahmen den Hof, bekamen unsere vier Kinder und ich absolvierte weitere Aus- respektive Weiterbildungen um schliesslich meine jetzige Stelle anzutreten. Und mein Arbeitskollege? Der hielt über all die Jahre dem Arbeitgeber in verschiedenen Positionen und Kaderstufen die Treue und kann sich nun ein paar Jahre vor der regulären Pensionierung verdient zur Ruhe setzen.
In welcher Biographie finden Sie sich? Sind sie gerne Neues am Entdecken? Lieben Sie es, zu wissen was auf Sie zukommt? Man könnte nun argumentieren, dass in der heutigen, schnelllebigen Zeit nur noch jemand mithalten kann, der sich immer wieder neu orientiert ja, gar neu erfindet. Oder aber natürlich, dass eben genau, weil sich alles immer ändert, jener gut bedient ist, der Beständigkeit lebt.
Ich glaube aber, dass vielmehr in der Ergänzung dieser Faktoren der Schlüssel liegt, als Team, Betrieb oder auch als Gemeinde vorwärts zu kommen. Wo nur Antrieb vorherrscht, fehlt die richtungsgebende Stetigkeit. Wo nur nach Stetigkeit gestrebt wird, fehlt die Entwicklung. Ich schätze meinen Arbeitskollegen nicht nur wegen seinem enormen Wissen über den Betrieb, unsere Abläufe und unsere Kunden. Ich schätze ihn auch deshalb, weil er so lange geblieben ist und auch in schwierigen Zeiten Garant für Beständigkeit war. Natürlich kommt das nun etwas plakativ daher. Selbstverständlich hat mein Arbeitskollege in seiner Zeit im Betrieb auch Neues angerissen und eingeführt. Aber wo andere danach weiterzogen, blieb er vor Ort.
Auch in Rümlingen dürfen wir auf langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen. Zuweilen lässt sich bei gewissen Aufgaben nur mit viel Aufwand herausfinden, wann jemand ein erstes Mal einen Dienst angetreten hat. Daher an dieser Stelle ein Merci an alle euch treue Seelen. Sei es in den Gemeinden, den Betrieben aber auch in den Vereinen. Danke für euren langen Schnauf, eure Souveränität und euren Willen, dran zu bleiben. Und speziell Danke all jenen, die trotz aller Beständigkeit auch offen sind für Neues.